Wie man ein Diorama auch bauen kann

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HahNullMuehr
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Wie man ein Diorama auch bauen kann

Beitrag von HahNullMuehr » Mittwoch 17. September 2014, 21:15

Moin zusammen.

Der eifrige Foren-Stöberer hat vielleicht schon HIER einige Blicke auf ein Diorama der speziellen Art werfen können.

Für diejenigen, die auch mal solch ein Diorama erstellen wollen, um einzelne Züge (oder auch anderes) wirkungsvoll zu präsentieren, hier eine kurze Anleitung.

Der Unterbau wurde vom Schreiner gefertigt, da mir in meiner Werkstatt nicht die nötigen Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
Im Prinzip sind es nur zwei Platten, rechtwinklig verbunden. Die Bodenplatte ist ringsum eingefräst, passend zur Plexiglashaube. Dazu bekam sie einen Rand aus Aluwinkeln, der die Plexihaube sicher am Platz hält.
Unterbau_roh_r.jpg
Grundidee war eine Bahnhofs-Szene mit einem Zug und einer Gruppe von Leuten auf dem Bahnsteig. Damit der Hintergrund nicht zu sehr dominiert, wurde er eher kulissenhaft-skizziert angelegt.
(Das hier beschriebene entstand als Geschenk der Forumanen an die Geschäftsleitung des MiWuLa anlässlich des XII. MFM im September 2014. Deshalb taucht im Text das Wort “Geschenk“ auf.
Über die Ausgestaltung dieser Vitrine mit den Figuren kann man HIER nachlesen.)

Die Machart der Kulisse ist schnell erklärt.
Die Rückwand war von Hause aus blau. Mit dünner, weißer Ölfarbe (Für so etwas nehme ich gerne Ölfarbe, weil sie extrem langsam trocknet. Das kann Tage dauern. Allerdings ist auch Obacht geboten, weil man „nach Tagen“ noch die frische Farbe verwischen kann.) ein paar Wolkenformen aufmalen. Die dunklen Partien der Wolken mit etwas Blau (gaaanz wenig blau) dazu malen. Mit dem farbleeren Pinsel in kreisenden Bewegungen leicht drüberwischen, um den „fluffigen“ Effekt zu erzielen
(„Just one hair and some air!“ Bob Ross)
Unterbau_wolkig_r.jpg
Umgekehrt kann man auf weißem Grund mit Blau malen und dabei die Wolken quasi als weiße Flächen stehen lassen.

Weiter: Erstmal suchen wir ein Foto vom Bahnhof Knuffingen, der sich am Original-Standplatz so präsentiert:
Knuffingen_Hbf_r.jpg
Aber wir brauchen eine möglichst frontale Ansicht. Erhard hatte schnell eine digitale Darstellung zur Hand. Dies wird ausgedruckt und dann mit einer Kopiermaschine so weit vergrößert, bis sie die Originalabmaße erreicht. Notfalls mehrere Blätter mit Klebestreifen aneinander pappen. Auf saubere Qualität kommt es bei dieser Technik in diesem Stadium überhaupt nicht an. Hauptsache schön gerade. Denn der Bahnhof sollte nicht naturgetreu, sondern mehr kulissenhaft/skizziert dargestellt werden, um nicht zu sehr vom eigentlichen Geschenk, nämlich dem Zug, der noch da hinein kommen sollte, abzulenken.

Als nächstes brauchen wir ein Stück Schaumkarton (Hartschaum mit Papier beschichtet, u. a. als „Depafit“ oder auch „Kapa Line“ im Handel.) Wir haben ein ausreichend großes Stück von 12 mm Dicke noch im Hause. Erstmal weißeln. (Den ersten Versuch habe ich verworfen, da mir der Karton zu „woll-weiß“ war.) Mit simpler Wandfarbe, bitte aber beidseitig, sonst kann sich der Karton verziehen. Und zum Trocknen mit einem Brett und ein paar Gewichten beschweren.
Jetzt belegen wir den Karton mit ordinärem Kohlepapier; darauf, schön gerade, das vergrößerte Bild, und pinnen alles mit einigen Nadeln fest. Möglichst außerhalb der Zeichnung.

Mit einem Anreibegriffel, Bleistift oder Kuli ziehen wir nun die gewünschten Linien nach: Alle Außen-Umrisse; alle Gebäude-Ecken; von Simsen und Reliefpfeilern* immer nur die „Schattenschläge“, also Unterseite und (in unsrem Fall) linke Kontur. Fenster desgleichen: Links und unten den Außenrahmen, die eigentlichen Fenster aber rechts und oben. Ausprobieren. Das ergibt einen verblüffend plastischen Effekt. Dachflächen werden direkt schraffiert. Und für die vielen Bögen finden sich passende Münzen / Unterlegscheiben / Schnapsgläser, die als Zeichenschablone für Gleichmaß sorgen.

Vorschicht beim Hantieren mit Linealen und überhaupt: jeder unbedachte Druck auf das Kohlepapier hinterlässt eine Spur auf der blütenweißen Unterlage.

Wenn man sicher ist, alle nötigen Linien gezogen zu haben, Nadeln raus, Vorlage weg, und Kohlepapier ABHEBEN. Skalpell, Cutter und Stahllineal zur Hand und alles entlang der Außenkante sauber ausschneiden. Am besten ganz neue Klingen einsetzen.
Wer beleuchtete Elemente einbringen möchte, sollte sich spätestens jetzt Gedanken machen, wo Löcher für die Zuleitungen gebohrt werden müssen.

Aus den Resten der Schaumplatte (und aus dem ersten Versuch) fertigen wir noch die Bahnsteigflächen. Die Bahnsteigkanten sind Gipsabgüsse aus den berühmten Spoerle-Formen, die mit Heißkleber angeklebt werden. Kantsteine und Bahnsteigflächen noch einheitlich färben (Wandfarbe, leicht getönt). Und dann das Ganze mit reichlich Leim auf die Grundplatte. Auch jetzt wieder Gefahr des Verziehens, also während der Leim trocknet plätten und beschweren.

Die Gleise sind jeweils aus zwei Stücken Flexgleis, die zusammen immer genau den 1 Meter unserer Vitrine ergeben. Lieber ein, zwei Milimeter kürzer, dass die Haube noch drüber passt.
Jetzt füllen wir die Nut für die Haube ringsum mit Resten von Plastikstreifen / Plexi, damit beim nächsten Arbeitsgang die Nut nicht verkleistert wird.

Die Gleisbetten werden dick mit Eukalin-Kleber eingestrichen. Das ist ein Weißleim, der gerne von Buchbindern und Kartonfabrikanten verwendet wird. Er ist wasserverdünnbar und er bleibt nach dem Trocknen elastisch. In das Kleberbett werden die Gleise gelegt, die mit einigen Nägelchen provisorisch fixiert werden. Dann wird sofort geschottert.
Schottern_r.jpg
Ein Zuckerstreuer oder ein Milchkännchen tut guten Dienst, aber auch eine Büchse, in die man einen „Schnabel“ gebogen hat, sollte funktionieren. Den Schotter dick aufstreuen.
Schottern2_r.jpg

Den Kleber anziehen lassen und die Füllstreifen herausnehmen. Jetzt kann man noch leicht Leimtropfen und Schotterkrümel aus der Nut entfernen.

Wenn der Kleber gut durchgetrocknet ist, können die Nägel gezogen werde. Dann stellt man das Ganze hochkant in einen Karton oder eine große Schüssel und klopft einige Male kräftig gegen den Boden. Mit einem Borstenpinsel noch die Gleisbetten abkehren. Der Überschüssige Schotter im Karton kann wiederverwendet werden.
Das ist die Schnell-Methode, die aber nicht unbedingt zu Schwellenoberkante-bündigem Schotterbett führt. Wer darauf Wert legt, muss sicher noch nachschottern.

Das war‘s schon. Die Ausgestaltung mit Rollmaterial, Zubehör und Volk überlasse ich dem einzelnen.Und so sah dass ganze (fast) fertig aus:
Stellprobe_r.jpg
Gruß


* Reliefpfeiler ist das längste Palindrom in der deutschen Sprache.
Micha W. Muehr, Rösrath
Meine Bastelstunde gibt es auch auf YouTube.
Ich mach es lieber am Anfang exakt - und schluder später ein bisschen. Wenn ich schlampig anfange, krieg ich es am Ende nicht wieder genau.

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