Moin Andreas,
Andreas P hat geschrieben: ↑Samstag 28. August 2021, 18:10
Und hier stimme ich nicht mit dir überein. Wenn eine Zeitung unter Berufung auf das RKI eine Zahl veröffenlicht, dann gehe ich erstmal davon aus, dass das stimmt. Und woher willst du wissen, dass die Zahl "schöngerechnet" ist?
was den Herrn Nuhr betrifft, haben wir sehr unterschiedliche Ansichten. Er war früher mal besser. Seit seinen Ausführungen zu
Corona und zum
Klima kann ich ihn nicht mehr ernst nehmen. Welche Klientel er in den letzten 2 Jahren bedient hat, wird an der
Reaktion vieler seiner Fans auf seine Impfempfehlung deutlich.
Schöngerechnet ist deine Zahl der Impfdurchbrüche aus einer ganzen Reihe von Gründen. Zunächst einmal bezieht sich die Zahl der insgesamt 18.333 wahrscheinlichen Impfdurchbrüche, für die du nun endlich eine Quelle verlinkt hast, nur auf Infektionen mit klinischer Symptomatik.
Definition wahrscheinlicher Impfdurchbruch:
Ein wahrscheinlicher Impfdurchbruch ist definiert als SARS-CoV-2-Infektion (mit klinischer Symptomatik), die bei einer vollständig geimpften Person mittels PCR oder Erregerisolierung diagnostiziert wurde. Ein vollständiger Impfschutz wird angenommen, wenn nach einer abgeschlossenen Impfserie (2 Dosen Moderna-, BioNTech- oder AstraZeneca-Vakzine bzw. 1 Dosis Janssen-Vakzine) mindestens zwei Wochen vergangen sind.
Quelle:
RKI, Wochenbericht vom 26.08.2021, Seite 18.
Du setzt diese Zahl ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Geimpften. Genauso hat der Herr Nuhr im März 2020 die Zahl der Infizierten ins Verhältnis zur Bevölkerungszahl gesetzt. Kann man machen. Ist dann halt nur eine Momentaufnahme, ein paar Tage später sieht es schon wieder anders aus.
Als ersten Schritt solltest du die Zahl der Impfdurchbrüche mal ins Verhältnis zur Zahl der Infizierten setzen.
Seit dem 01.02.2021 gab es (wie schon von dir angegeben) 18.333 Impfdurchbrüche.
Stand 26.08.2021 gab es insgesamt 3.901.799 Covid-19-Infizierte seit Beginn der Pandemie.
Quelle: RKI, täglicher Lagebericht vom 26.08.2021.
Stand 01.02.2021 gab es insgesamt 2.221.971 Covid-19-Infizierte seit Beginn der Pandemie.
Quelle: RKI, täglicher Lagebericht vom 01.02.2021.
In der Differenz hatten wir zwischen dem 01.02.2021 und dem 26.08.2021 insgesamt 1.679.828 Neuinfektionen.
Gemessen an dieser Zahl liegt die Quote der Impfdurchbrüche bei 1,1%.
Aber auch diese Zahl wäre nur aussagekräftig, wenn alle Geimpften mit Impfdurchbrüchen schon am 01.02.2021 vollen Impfschutz gehabt hätten und wenn alle 2.221.971 Infizierten auch symptomatisch infiziert gewesen wären. Deshalb ist der Wert von 1,1% Impfdurchbrüchen nur eine sehr ungenaue untere Schranke.
Das RKI listet in der von dir dankenswerterweise verlinkten Datei
auf Seite 19 auch noch die wahrscheinlichen Impfdurchbrüche in den Kalenderwochen 30-33 auf:
- Impfdurchbrüche 20210825 KW30-33.png (37.31 KiB) 547 mal betrachtet
Dort ist der Anteil der Impfdurchbrüche unter symptomatischen Covid-19-Fällen angegeben mit 1,1% bei den 12-17-Jährigen, 15,9% bei den 18-59-Jährigen und 38,5% bei den ab 60-Jährigen!
Natürlich muss man diese Durchbrüche im Verhältnis zu den Impfquoten sehen: 81% der ab 60-Jährigen waren in KW30-33 schon vollständig geimpft und dennoch lag der Anteil der Geimpften unter den symptomatisch Erkrankten bei nur 38,5%. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass 61,5% der symptomatischen Covid-19-Fälle auf das Konto der nur 19% ausmachenden Ungeimpften und nicht vollständig Geimpften gingen. Mit berücksichtigen muss man auch, dass bei einigen der schon im Dezember Geimpften der Impfschutz langsam nachlässt.
Die 15,9% Impfdurchbrüche in KW30-33 bei den 18-59-Jährigen kommen der Wahrheit am nächsten, da dort mit 57% näherungsweise die Hälfte der Menschen geimpft ist. Im letzten
Wochenbericht des RKI vom 19.08.2021 auf Seite 19 waren es noch 40,7% vollständig Geimpfte und 14,8% Imfdurchbrüche in dieser Altersgruppe.
Bei 50% Impfquote sollte der Anteil der Geimpften unter den symptomatisch Erkrankten demnach irgendwo um 15% herum liegen und nicht 0,036%, wie von dir suggeriert. Wäre die Impfung wirkungslos, dann wäre die Quote der Imfdurchbrüche exakt so hoch wie die Quote der Geimpften, also in diesem Fall ±50% statt ±15%.
Ein guter "Zahlenfreak" jongliert nicht nur mit Zahlen, sondern prüft sie auch auf Plausibilität. Angesichts meiner Berechnung verwundert auch diese Meldung nicht:
Jeder neunte Infizierte im Kreis Viersen war geimpftAndreas P hat geschrieben: ↑Samstag 28. August 2021, 18:16
Und ich weiß auch nicht, warum Israel mit 9 Mio Einwohner rund 10.000 Neuinfektionen pro Tag hat, Deutschland mit 83 Mio. Menschen aber "nur" 12.000.
Ich habe auch dafür eine Erklärung: Man hat zu früh zu sehr gelockert. Man glaubte, mit so vielen Geimpften könnte nichts mehr passieren. Dabei sind laut
Quelle, klick mich nur 62% der Menschen in Israel vollständig geimpft, nicht mal 2% mehr als in Deutschland. Ähnlich wie in den USA gibt es in Israel ganze Bevölkerungsteile
mit großer Impfskepsis. Dadurch kann sich Delta in einigen Regionen besonders stark ausbreiten.
Wenn Religion über Wissenschaft gestellt wird, stocken die Impfkampagnen der einstigen Vorreiter.
Ich bleibe dabei: Impfungen schützen hochwirksam vor schwerem Verlauf (darüber sagt ja die Zahl der Impfdurchbrüche nichts aus) und Geimpfte tragen ganz wesentlich zur Eindämmung der Pandemie bei. Aber solange sich aufgrund hoher Inzidenz auch noch viele Geimpfte infizieren und insbesondere bei der Delta-Variante für kurze Zeit
das Virus auch weitergeben können, kann eine Impfung kein Freifahrtschein für alles sein. Das sieht hoffentlich in ein paar Monaten anders aus, wenn endlich Herdenimmunität aufgebaut ist.
Bis dahin muss die Politik den schwierigen Spagat zwischen Impfanreizen und Pandemieeindämmung irgendwie hinbekommen.
Ich wünsche dir auch einen schönen Sonntag.