Beim Buddeln in meinen alten Fotos habe ich einige entdeckt, die eine Art "historischen Wert" haben. Es sind noch keine Digitalfotos, also habe ich die Bilder eingescannt.
Doch zuerst etwas zu dem Ereignis, bei dem diese Bilder aufgenommen wurden, entnommen dem Buch "Bahngeschichte Band 3, "Norddeutschland": Liebhabern der Schmalspur wird bekannt sein, dass die ostfriesischen Inseln zum Teil mit Inselbahnen ausgestattet sind. Diese Bahnen übernehmen den Verkehr zwischen dem jeweiligen Inselhafen und dem Hauptort der Insel. Die Strecke zwischen dem Festland und den Inseln dagegen muss mit Fähren bewältigt werden.
Eine sehr unbekannte Tatsache dagegen ist, dass die Bahn Mitte der 1970iger Jahre Planungen begann, den Fährverkehr durch Bahnverkehr zu ersetzen. Hintergrund dafür waren Kosteneinsparungen: Schiffe haben sehr hohe Betriebskosten, sind langsam und tideabhängig und eine veraltete Generation von Fähren musste durch Neubauten (oder eben durch die Bahn) ersetzt werden. Zuerst begann man mit der Entwicklung neuer Gleise. Sie sollten im Watt verlegt werden und schwimmfähig sein. Schwimmfähig, damit man endlich tideunabhängig ist. Lösungsansatz hierzu waren hohle, das heisst schwimmfähige Bahnschwellen. Der Ansatz funktionierte, doch waren die Auftriebsreserven dieser Hohlkörper etwas zu gering. Daher beschritt man zwei Wege gleichzeitig: die Abstände der Bahnschwellen im Gleis wurde halbiert und damit mehr Auftrieb für das Gleis verdoppelt. Und man begann die hohlen Schwellen mit Helium zu füllen. Dieses Helium hat, wie den meisten bekannt sein dürfte, genügend Auftrieb, um ganze Luftschiffe zu heben. Um den Effekt zu verstärken, wurde das Helium mit 500 bar Druck in die Schwellen gefüllt, so dass der Auftrieb noch einmal um das 500fache stieg. Zwar hätte die Verwendung von Wasserstoff den Auftrieb noch einmal etwas erhöht (Wasserstoff ist noch leichter als Helium), doch neigt Stahl bei solch hohen Drücken zur "Wasserstoffversprödung".
Nach den ersten Tests mit dem neuen Gleis im Hooksieler Binnentief begann die Bahn Anfang der 1980iger Jahre eine Teststrecke zu legen. Sie führte vom benachbarten Schillig zur künstlichen Insel Minsener Oog. Eine Teststrecke direkt zu einer der ostfriesischen Inseln verbot sich, da die Gebiete im zu der Zeit schon bestehenden "Nationalpark Wattenmeer" lagen und nur für den Testbetrieb keine Freigaben zu bekommen waren.
Die Bahn hatte insgesamt drei Testfahrten auf dem neuen Gleis durchgeführt. Die erste bei Niedrigwasser, dass heisst, die Schienen lagen auf dem Watt auf. Die zweite Fahrt wurde schon auf dem schwimmenden Gleis gemacht, allerdings auch wieder nur mit einer Lok ohne Anhang. Die dritte Fahrt fand mit einem kompletten Zug (Lok und leere Anhänger) statt. Und hier passierte etwas kurioses: die Bahnlinie war rein rechtlich noch Bestandteil des Jadefahrwassers, und dort müssen Fahrzeuge über 50m Länge einen Lotsen mitführen. Der Zug war über 50 Meter, und so saßen zwei Personen im Führerstand der Lokomotive (Kapitän B. und als Lokomotivführer Herr L.)
Leider war diese dritte Fahrt auch die letzte. Es zeichnete sich ab, dass die in der Zeit aufkommenden schnellen Katamarane mit ihren 40 bis 45 Knoten Geschwindigkeit den Zeitvorteil der Bahn wieder zunichte machen würden. Außerdem zeigte es sich als Nachteil, das man auf Schmalspur gesetzt hat. Bei einer Breitspur wäre das Volumen einer Schwelle größer gewesen, sie hätte mehr Auftrieb gehabt und man hätte die Anzahl der Schwellen verringern können. Außerdem ist die Schwimmstabilität der Normalspur der einer Schmalspur überlegen. Damit wurde das ganze Projekt im Jahr 1984 wieder eingestellt und gehört nun in die Rubrik "Kuriositäten".
Auch die Planungen für die Bahnlinie Hooksiel-Helgoland wurden eingestellt. Für den Bahnhof auf Helgoland war bereits das Fundament fertiggestellt, heute steht darauf die Abfertigungshalle des Zolls.
Und hier nun meine Fotos:
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Dieses Bild zeigt den Beginn der dritten Testfahrt (Lokomotive und leere Anhänger). Der Zug hat soeben das Festland verlassen, im Hintergrund ist noch der Deich von Schillig zu sehen.
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Der Zug hat das Festland restlos verlassen. Die Bahnlinie verläuft aber ein Stück parallel zum Deich, so dass man von hier hervorragend fotografieren konnte.
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Auffällig ist das Fehlen der Freizeitboote, die doch sonst alle großen Ereignisse umschwirren. Der Grund ist einfach: Die Jahreszeit und die Wassertiefe. Die Boote waren entweder im Winterlager oder hatten zuviel Tiefgang (es war Nipptide mit nur 35 cm Wassertiefe). Die geringe Wassertiefe sorgte für höhere Sicherheit bei dieser neuentwickelten Bahntechnik.
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Noch einmal in Blick auf die Lokomotive mit dem Teleobjektiv. Schwach erkennt man das Gleis, das aus der Wasseroberfläche hervorscheint. Die tief eingetauchten Gleise haben nur eine sehr kleine Fläche innerhalb der Wasserlinie und bleiben daher ähnlich wie ein "SWATH" Schiff fast unbeeinflusst vom Seegang.