Man kann denke ich nicht darüber streiten, dass Musik - wo sie passt - eine tolle Sache ist. Ich hab was gegen Überfrachtung mit Musik. Musik ist etwas besonderes.
Oder sollte was besonderes sein. In Zeiten von iPod und USB-Sticks, und Handy-Klingeltönen, wo ist da noch die Besonderheit?
Ich kann mich noch erinnern, da konnte man die Durchsage der nächsten Busstation beim besten willen nicht erraten, selbst wenn der Fahrer sich bemüht hat, weil der Motor war einfach viel zu laut. Heute kommt das von einer hochdeutschen Stimmen vom Band, aus 30 Lautsprechern direkt über den Köpfen der Fahrgäste, die da leise Schnurren der Elektromotoren locker übertönen.
Heutzutage sitzen die Kids in der Straßenbahn neben mir und sie unterhalten sich nicht mehr miteinander, weil alle haben so ein Ding in den Ohren. Ich kann mich erinnern, dass ich - als ich noch sehr klein war - in der Straßenbahn gesungen hab. Selber gesungen wohlgemerkt! Den Leuten hat das gefallen, wenn ich "Hänschen in der Grube" gesungen hab... mir gefällt ein brüllender Ohrstöpsel der völlig unverständliche englische Texte rappt definitiv nicht.
Wenn man weiter zurückdenkt, dann war Musik etwas, was sich nur die Könige und Kaiser leisten konnten und entsprechend bezahlten sie die Künstler. Heute kann man davon nur leben, wenn man genial ist oder 25 Stunden pro Tag dafür bereit ist zu opfern oder einfach verdammtes Glück hat. Seit es menschliche Kultur gibt konnten die Musiker einfach so aus dem Stand heraus Musik machen, ohne Noten, ohne Verstärker und die Menge hat getobt. Heute muss dazu die Bühne erstmal 6 Stunden lang verkabelt werden und man zahlt mindestens 60 Euro Eintritt.
Musiker hatten es immer gut, freies Essen und Logie war meistens üblich. Aber so gut, dass ich dafür 60 Euro Eintritt zahlen muss?
Wenn ich im Sommer am Lagerfeuer sitze und sage: "Komm, wir singen was." dann sehen mich die Menschen an, als wäre ich von einem anderen Stern. Besonders die jüngeren. Erst wenn ich meine Westerngitarre raushole und tatsächlich loslege und sogar was spiele, was sie kennen, dann singen sie mit. Am Anfang erst ganz leise und dann aber immer lauter... am Ende singen die sogar ohne Gitarre.
Zurück zu Arnd Stein: Ich denke mal, "Industriemusik" ist nicht ganz das richtige Wort. Sagen wir besser "Zweckmusik". Die Musik dient einem einzigen Zweck, nämlich locker und entspannt zu werden. Die Meinung des Komponisten spielt dabei überhaupt keine Rolle, im Gegenteil: Sie stört nur. Daher ist diese Art von Musik völlig neutral und hört sich immer gleich an. Und deswegen mag ich sie nicht.
Weil wenn ich Musik mache, dann will ich ein Gefühl widerspiegeln. Eine Meinung. Ein Erlebnis. Oder einfach selbst Spaß haben. Aber das Gefühl ist fast das wichtigste - für mich jedenfalls.
Ich hab mal ein Beispiel aus meinem Fundus online gestellt:
http://www.ssilk.de/SONGS/NEU/TheSweep_V0_5.mp3
Das dient nicht der Entspannung, wie man gemeinhin vermuten könnte, sondern spiegelt wieder, wie man sich fühlt, wenn man bei völliger Erschöpfung (40 Stunden nicht geschlafen oder so) in ein kurzes 10-Minuten-Nickerchen fällt.
Das ist natürlich nicht jedermanns Sache. Viele werden sich von der Musik angegriffen fühlen oder sie einfach nicht verstehen, weil sie selbst noch nie sowas durchgemacht haben. Es gab schon welche, die haben gesagt, da stirbt einer.
Die Musik dient wie gesagt keinem echten Zweck. Weil was soll das einem bringen, wenn man sie sich anhört? Vielleicht gibt es einen kleinen Teil an Leuten die schon mal so lange nicht geschlafen haben und sagen werden: Ja, so ungefähr fühlt sich das wirklich an: Schmerzen, Entspannung, Depression, flirrende Träume. Und beim Aufwachen fühlt man sich besser. Aber nicht lange.
Sie steht daher ganz im Gegensatz zu dieser reinen Zweckmusik, die ich aus genau diesem Grund eben nicht mag. Denn wenn ein Therapeut oder was auch immer diese Musik einsetzt, um damit das gewünschte Ergebnis zu erreichen, dann macht er sich damit selbst unnötig. Ein wenig zumindest.
Noch ein Beispiel, was ich meine, diesmal in eine völlig andere Richtung, (weil du meintest er macht keine Melodie):
http://www.ssilk.de/SONGS/NEU/WildeHordeV0_7.mp3
Das eine Komposition, die wartet eigentlich auf ne Band, die das spielen will und einen gescheiten Text dazu macht, weil momentan klingt es halt arg künstlich; weil alles mit Midi und Reason (das Musikprogramm) zusammengebaut ist. Das ist eben einfach so entstanden, wenn man auf der Gitarre rumeiert und versucht das dann auf Midi zu übertragen. Ok, über Melodie kann man sich streiten, aber ich denke man kann sagen, dass der Refrain schon irgendwie eingängig ist. Das würde Arnd Stein nie im Leben so machen, weil dann müsste er sich festlegen. Das will der nicht, weil wenn er sich auf eine Melodie festlegt, dann könnte es Leute geben, die diese nicht mögen könnten, darum macht er nur "Scheinmelodien", das ist etwas was ich nun wirklich nicht mag. Aber gut, darüber kann man sich natürlich auch streiten.
[Ja, Vangelis ist ein Superbeispiel für gute Musik. Meine absolute Lieblings-CD: Mythodea.]
Ich kann sogar noch genauer sagen, was mir an Arndt Steins Musik nicht gefällt: Er macht das wie gesagt nach Schema F. Viel Bass (da nimmt er eine Standard-Orgel), Schlagzeug ebenfalls aus der Orgel, für die Flächen hat er ein extra Gerät. Und dann alle möglichen anderen Synthies für den Rest. Der hat noch nie im Leben einen eigenen Sound gemacht, behaupte ich mal. Der kauft sich die Sound-Libraries einfach zusammen und das wars.
Und das Prinzip gilt eben nicht nur für Arndt Stein, sondern für all die andere Musik: Sie ist so abgegriffen, dass man schon fettige Finger bekommt, wenn man hinschaut.
Das schlimme ist finde ich, dass das Zeug gekauft wird. Nicht weil es gut ist, sondern weil es so klingt, wie man das selbst erwartet. Und weil man den feinen Unterschied zwischen Kunst und Zweck nicht bemerkt.
Das gilt für jede Art von Musik: Techno, House, HipHop usw. Die Musik wird nicht gemacht, weil man Kunst machen will, sondern weil man Musik verkaufen will! Ich wiederhol das: Kunst hat mit der Musik, die man heutzutage zu 80% im Radio hört nichts zu tun, es geht darum die Musik zu verkaufen.
Denn die Musik, die man im Radio hört richtet sich nach den Charts und das ist nunmal die größte Lüge von allen! Die Charts richten sich nach den Verkaufszahlen. Die werden aber manipuliert. Das weiß jeder: Mit genug Geld kann man die eigenen CDs aufkaufen, treibt dadurch die Verkaufszahlen in die Höhe, das Lied kommt in den Charts nach oben, die Radios usw. spielen es und dadurch wird es verkauft.
Erst wenn Musik ehrlich gehandelt werden würde, so wie zum Beispiel auf einer Börse und man die Verbreitung nicht durch merkwürdige Einschränkungen verbietet (z. B. DRM), man also in der Lage wäre zu sagen "Hey, schau mal das hier hört sich gut an..." (ein Konzern also gegen die Mundpropaganda ankämpfen müsste), erst dann wird es wieder gescheite (also künstlerische) Musik geben.